Über Alleinsein und Einsamkeit
Wenn wir uns selbst die Hand halten müssen, kann das schmerzlich sein oder stärkend. Eine Pause vom Trubel der Menschen ist manchmal Belohnung und ein anderes Mal Isolation. Alleinsein ist abhängig, so scheint es mir, von meiner Stimmung und die wiederum bestimmt die Geschichte, die ich in meinem Kopf erzähle. Wir alle erzählen Geschichten. Sie handeln entweder von mutigen Heldinnen, die ihren Weg gehen oder verlassenem Scheitern. Ich habe irgendwann begonnen, meine Geschichten zu hinterfragen und das war eine der besten Entscheidungen meines Lebens.
Zeiten von Traurigkeit
Die schwierigste Zeit rund um Alleinsein und Einsamkeit hatte ich mitten in meiner ersten Therapie. Meine Ehe war zerbrochen und ich saß in einer süßen Wohnung mit meinen beiden entzückenden Söhnen, bereit die Welt zu entdecken. An manchen Tagen war ich wie unter Strom. So viel Neues, ich war aufgeregt und voller Tatendrang. Ich erinnere, wie ich pfeifend den Balkon bepflanzt habe und verträumt ins Grün des schattigen Hinterhofs gestarrt habe. Gleichzeitig gab es andere Momente und ich war wie gelähmt. Mein Herz schien langsamer und schwerer zu schlagen, alles hatte einen Grauschimmer, so schien es mir. Wie im Nebel, dachte ich und auch, dass mich keiner sehen kann, wie ich bin.
Die Geschichten in unserem Kopf
Das Verrückte war: Ich war ja die Gleiche. Nur meine Emotionen, meine Stimmung, meine Energie war eine andere. Was ok ist, wir alle haben schwankende Emotionen, oder? Doch die Frage ist, wie sehr vertrauen wir den Geschichten und wo kommen sie eigentlich her? Ich habe ein wenig laut darüber in diesem kleinen YouTube Video nachgedacht:
Was hilft
Meine eigene Hand zu halten, mir Blumen zu kaufen, ein Musikstück laut mitzusingen ohne Angst zu haben jemanden zu stören. Es gibt viele wunderbare Momente, die wir alleine erleben können und vielleicht sogar wollen. Alleinsein gibt Raum, hilft Gedanken zu ordnen, zu fühlen, was wir wirklich wollen. Gleichzeitig dürfen wir sanft betrachten, wo der Rückzug Schutzraum ist und uns fragen, ob dieser Schutz wirklich notwendig ist oder nur eine alte Geschichte? Ich lieb es, die Geschichten aufzuschreiben, die mein Kopf mir erzählt. Listen zu machen von den Limitierungen und Abwertungen, die manchmal durch mich rasen. An sonnigen Tagen lese ich sie dann erneut und kann fühlen, dass all dies nicht richtig ist. Nicht wirklich wahr, sondern nur eine Geschichte. Das hilft sie loszulassen und beim nächsten Mal nicht mehr so sehr zu glauben.
Einsamkeit
Wenn die Einsamkeit nicht weggeht und die Gefühle der Isolation überhand nehmen, brauchen wir manchmal auch professionelle Hilfe oder an anderen Tagen einfach eine Freundin, ein Familienmitglied, jemand, dem wir vertrauen. Wichtig ist: Wir müssen uns zeigen in unserer Verletzlichkeit. Nur dann kann etwas verändert werden. Das ist am schwersten und gleichzeitig am heilsamsten. Um mit dem Gedanken von Asia Suler (s.u.) zu schließen: Wir sind nie alleine. Da ist eine ganze Welt um uns, die immer in Austausch ist, reagiert, mit der wir im Gespräch sind. Ob wir es spüren oder nicht. In diesem Text geht es auch um Einsamkeit.
Von Herzen viele wunderbare Momente alleine und mit anderen,
Silja
PS: Wo man z.B. Hilfe finden kann: Deutsche Depressionshilfe: und Asia Sulers Buch „Mirrors in the Earth“ enthält eine feine Abhandlung über Einsamkeit. Lieb ich sehr.
PPS: Das wunderbare Bild hat Miriam Dierks gemacht. Du findest sie hier.
