Bauchspeck und Selbstliebe

Bauchspeck und Selbstliebe

Bauchspeck und Selbstliebe – ein paar Gedanken zur Lage

Dies, ihr Lieben, wird kein weltpolitischer Post. Gabs hier glaube ich sowieso noch nicht, aber das Thema heute mag profan anmuten, denn der Moment der Wahrheit war ein profaner und fand erst diesen Montag statt. Protagonisten: Ich, mit dabei: mein Kleiderschrank. Dessen Inhalt, das habe ich hier schonmal angedeutet, noch nicht ganz meiner idealistischen  Vorstellung aus capsuliger, cooler, designiger Ökofashion entspricht. Er ist vielmehr eine bunte Mischung aus älteren Basics der üblichen Ketten (ja, ja, ich arbeite dran), einer Menge Sachen, die ich nicht mehr trage und ambitionierter und/ oder heiß geliebter Einzelstücke. Marie Kondo- Dokus stehen daher auf meiner To Do Liste ebenso wie noch mehr Auseinandersetzung mit der nachhaltigen Seite der Modeindustrie. Doch all das rückte nach hinten, als der entscheidende Augenblick passierte.

Frisch starten und…

Wenn Montags die frische Woche startet, hat grundsätzlich jeder von uns die Wahl zwischen motiviert-sein oder jammerig herumschluffen. Als professionelle Glückssucherin versuche ich natürlich alles, um möglichst gut gelaunt zu starten. Ich glaube, meine halbe Morgenroutine ist darauf ausgelegt. Ich freute mich daher auch diesmal ausgiebig schon früh auf den Tag, malte mir aus, was alles toll werden würde und begann dann die konkrete Vorbereitung, sprich das Anziehen. Ein wenig kühner als sonst war mir nach einem eher untypischen Outfit (bisher trage ich stoisch die gleichen 2-3 Sachen zu den meisten Jobterminen – was übrigens ganz schön capsulig ist, wenn ich recht drüber nachdenke). In meinen Gedanken sah ich mich erstaunlicher Weise in dieser schönen, drei Jahre alten Marlenehose mild lächelnd mein Seminar halten. Um es kurz zu machen: Ich sprang rein – und blieb stecken. Diese wunderbare, weiche Mitte, die ich mein eigen nenne, erschuf ein ziemlich unüberwindbares Hindernis zwischen Knopf und Knopfloch. Hm. Vier Hosen später war ich ernüchtert.

Emotionen ordnen

Ich wünschte, ich könnte hier schreiben: Es hat mich nicht tangiert. Ich liebe mich und ich weiß, dass mein Wert woanders ist. Ich hätte gerne lächelnd alle vier zu klein gewordenen Hosen weggeräumt und mich stolz im Spiegel betrachtet, mein Bäuchlein liebevoll streichelnd. In echt jedoch wusste ich nicht genau: Lachen oder weinen? Die Waage wieder rausholen? Ein Jahr der Geißelung einleiten? Ein Teil von mir war zudem verwirrt: Ist das nun a****cool nicht zu merken, dass ein Drittel des Kleiderschranks nicht mehr passt oder eher nachlässig? Meine Emotionen zu ordnen hat ein wenig gedauert.

Hinschauen, anders.

Währenddessen sah ich, wie der Hosenbund der bequemen Gummizug-Businesshose (ja, sowas gibts auch! Gold wert! Uralt! Immer noch fast wie neu!) sich nach unten schob und darüber das wunderbar weiche Wohlfühlbäuchlein seinen Weg aus der Enge suchte. Ich betrachtete mein Körperprofil in Spiegeln und zog den Bauch ein. Auch das hatte ich lange nicht mehr gemacht. Dazwischen überlegte ich verwirrt, was all das über mich und meine, augenscheinlich in weitere Ferne rückende, Erleuchtung aussagte. Bis vor kurzem fand ich mich fein und nun lag da ein Stapel Hosen und ich haderte? Ich schüttelte den Kopf. Echt noch weit mit der Erleuchtung, ich sags euch.

Der innere Stammtisch.

Seit dem tagte in mir der innere Stammtisch. Er besteht aus verschiedene Protagonistinnen, die ein reges Streitgespräch führten. Der weibliche, in die Tage gekommene, SatC-Fan unter den Stammtischgästen wollte ganz schnell was tun. Sie pochte auf gängige Schönheitsideale und schien zu weiteren Abstrichen nicht bereit. Erschwerend hielt sie zwischenzeitlich  Bilder von schönen Kleidern hoch und nagelte meinen Blick auf die Bikinischublade im Schrank fest. Die innere Esoterikerin saß neben ihr, Plakat dabei mit einem „Lieb dich so wie du bist!“ Slogan drauf.  Unser Glück, dozierte sie Kristalle reibend, hinge nie im Außen. All die „wenn-danns“ hielten unser Glück nur von uns fern und ich wäre ihr gern um den Hals gefallen. Aber am Tisch saß noch die Nostalgikerin, die sich an die grausigen Tage vergangener Diäten ebenso, wie an das Wohlgefühl in gut sitzenden Hosen erinnerte, bis die Fitnessexpertin das Wort ergriff und sich über Muskelabbau und Fitnessprogramme ausließ.  Es war eine wilde Runde, an der Anne Will ihre Freude gehabt hätte.

Und es kommt doch zurück auf..

Zum Glück war dies die Woche eines Führungskräfteseminars von mir. Manchmal passt es einfach! Der Vorteil von Seminaren ist, dass man sich gut selbst zuhören kann – dieses Mal zu den Themen Motivation, Veränderung und Konflikte. Der Stammtisch bekam also neues Futter, es kehrte etwas Ruhe ein. „Weg-von“ hörte ich mich sagen, „ist keine gute Motiviationsrichtung. Sie mag einen Veränderungsimpuls geben, macht uns aber unglücklich, denn wir agieren um einen Mangel zu beseitigen.“ Und es stimmt! Hinzu-Motivationen sind umso schöner. HA! Ich weiß das! Es ist mein Mondritual! Hinzu – Gedanken lassen uns losgehen, weil wir uns freuen und das Gute ausbauen möchten, den Spaß verdoppeln. Das hörte sich gleich besser an!  Und es dämmerte mir:

Angst oder Liebe

Wo wir (schon wieder) bei der Kernfrage wären. Leitet uns, egal was wir tun, die Angst, wir könnten nicht gut genug sein? Oder leitet uns die Freude an etwas? In meinem Fall: Mein Wert, das ist sowas von klar, hängt nie von meiner Konfektionsgröße ab – ich weiß es längst. Er hat auch nichts damit zu tun, wie hübsch oder gut mich andere finden. All das Reinpassen und Optimieren kaschiert nur, dass ein Teil von uns versucht zu finden, was wir jedoch Außen nie kriegen können: Das Gefühl gut genug zu sein (aka in dieser Woche : unattraktiv) Bei Veränderungen (hier: Hosenarmut) fällt das besonders auf, denn sie machen uns unsicher. Mich hat sie diesmal zudem kalt erwischt (wie jetzt? Passt nicht?) – und das ist eigentlich cool, wo ich doch früher so lange ein Thema mit meiner Figur hatte (mehr dazu findest du hier).

Eine Liebeserklärung

Daher sei dies gesagt: Ich liebe meinen Körper und werde das weiter tun. Ich weiß, dass er älter wird und es steht ihm gar nicht so schlecht. Ich freu mich, dass ihm Yoga gut tut und er fit ist. In den Wechseljahren sind Verschiebungen normal. Wir verändern uns stetig. Aber warum sollte älter, weicher, faltiger gleich schlechter sein? Es ist ein natürlicher Vorgang, er dokumentiert das Leben. Unsere Hormone ändern sich und damit lagern wir unsere Reserven anders ein. Christiane Northrup schreibt in ihrem Buch (s.u.) darüber, dass dies evolutionär bedingt ist. Unsere Vorfahren hatten im Winter nicht viel zu essen. Das Wenige, das es gab, ging an die jungen Mütter und die jungen Männer, die für die Versorgung zuständig waren. Ältere Menschen brauchten daher mehr Reserven, um mit weniger auskommen und überleben zu können. Und ist es nicht so, dass es ein Geschenk ist, soviel Leben schon gelebt zu haben und, wenn es gut läuft, noch eine ganze Menge mehr vor mir zu haben? Ich mag mich nicht (mehr) verbiegen  und schon gar nicht mag ich mich schlecht fühlen, kasteien, reinpressen.

Und doch

Was mir jedoch zu denken gegeben hat in den letzten Tagen, ist diese Sache mit dem Muskelabbau, der einen weiteren Grund für Gewichtszunahme in späteren Jahren darstellt. Ich will nicht schwach werden, will weiter alles tun können wie bisher und nicht plötzlich nach einer Treppe aus der Puste sein. Ich mag es, dass ich fit bin und ich kann spüren, wie hier etwas passiert. Daher, lange Rede kurzer Sinn, wird die Liebe zum Körper nun aktiver ausgelebt! Bähm! Ich verordne mir Bewegung, frische Luft, Spaß. Und atme durch: Das Leben hat genug Aufregung zu bieten, mein Hosenhaufen gehört nun nicht mehr dazu. Was für ein Glück. Selbstliebe ist, immer wieder neue Wege zu finden sich zu nehmen, oder was sagt ihr? Wo steckt ihr zwischen dem sich-wohlfühlen und gut aussehen? Zwischen Spuren des Älterwerden und der Liebe zu jeder davon?  Wird sich noch gewogen oder nicht? Liebt ihr euren Körper? Optimiert ihr? Ich freu mich auf ein paar Antworten!

Liebste Grüße

Silja

PS: Das Buch für alle Fragen rund um den weiblichen Körper und mehr:

Wie immer gilt: Wer über den Link bestellt muss wissen, dass ich profitiere. Noch besser: Beim örtlichen Buchhändler bestellen und so dafür sorgen, dass er erhalten bleibt.

Foto (das Schöne, nicht die Hosen): Miriam Dierks

 

Hallo, ich bin Silja. Gründerin von Glücksplanet und Trainerin, Coach, Yogalehrerin, fröhliche Mama von drei Söhnen, glückliche Ehefrau, begeisterte Pflanzenesserin, beseelte Yogaübende. Mein Herz schlägt für Psychologie und Coaching, Yoga und gutes, gesundes Essen. Ich schreibe mit Leidenschaft über alles, was helfen kann ein glückliches, entspanntes und begeistertes Leben zu leben. Mehr findest du auf meiner "Über mich" Seite. Für tägliche Inspiration folge mir auf Facebook oder Instagram.

10 Kommentare

  1. S. 5 Jahren vor

    Körper, Geist und Seele sind kilometerweit voneinander entfernt…ich verurteile und hasse mich für eine Zunahme von fast 10 kg im letzten halben Jahr. Mein Essverhalten jenseits jeglicher „Normalität“. Ich will mind. 5kg abnehmen, weil ich mich so nicht ertragen kann. Der Hass und dieses Gefühl der Unerträglichkeit (ja sogar die Zunahme aufgrund suchtartigem Löffelns puren Mandelmuses…bis zu 3 Gläser am Tag) ist Folge meiner 15 jährigen, rein restriktiven Magersucht. Ich weiß nicht, ob das, was ich gerade durchmache Teil der Genesung ist…??? Oder eine Symptomverschiebung…??? Ich hoffe, dass ich durch regelmäßige Yogapraxis Körper, Geist und Seele wieder in Einklang bringen kann und ich einen Weg aus diesem Teufelskreis finde…(P.S.: ich bin in therapeutischer Behandlung).

    • Autor
      Silja 5 Jahren vor

      Liebe S.
      wie gut, dass du jemanden hast, mit dem du hierüber reden kannst. Ich bin überfragt. Ich glaube, alles wird erst besser, wenn wir uns selbst lieben lernen, wie wir sind. All die vermeintlichen „Makel“ und all die vermeintlichen „Schokoseiten“ – all das ist Hülle, auch wenn ich (siehe Post) auch immer wieder mal Momente des Haderns habe. Ich hoffe, bald wird alles leichter und du findest den Weg in einen entspannten, guten Genuss.
      Alles Liebe,
      Silja

  2. Katrin 5 Jahren vor

    Liebste Silja, wieder so ein “Schwangerschafts-Schlaflos”-Moment, den du mir mit deinen Post verschönert hast! Dein Schreibstil und die Aufteilung des Textes sind einfach grandios – ganz zu schweigen vom Thema 😉 Ich bin da ganz bei dir! Eine Waage haben wir schon lange nicht und wer braucht die auch? Macht man sich doch nur verrückt mit. Jetzt in der Schwangerschaft bin ich so fasziniert von meinem starken Körper, der all diese Informationen über Veränderungen gespeichert hat, dass ich mir schon oft gedacht habe, dass man sich dieses liebevolle Betrachten und sich den Bauch streicheln eigentlich für die Zeit im Anschluss bewahren sollte. Ich bin gespannt, in welche „After Baby Body“ Krisen mich die Hormone stürzen werden, aber ich bin ganz sicher, dass irgendwo die Faszination bleibt. An dieser Stelle noch die Herangehensweise meines Mannes an Dinge, die ihm nicht mehr passen: „Das KANN nicht sein! Die müssen falsch gewaschen worden sein!“ – nicht wir sind das Problem, der Stoff ist es <3

    • Autor
      Silja 5 Jahren vor

      Liebe Katrin,
      oh ich wünsch dir eine fabelhafte schöne Schwangerschaft und einen tollen Start in die Mamizeit! Wie magisch.
      Haha und ja, das kam mir nicht in den Sinn, hätte aber gut getan zu denken 😉
      Liebe Grüße
      Silja

  3. Ralf Ihm 5 Jahren vor

    Hallo Silja, das Thema ist wohl mehr ein „Frauending“, aber als männlicher Vertreter meiner Rasse möchte ich doch kommentieren. Weniger zur Gewichtszunahme (da habe ich kein Problem), vielmehr möchte ich eine Empfehlung zu Marie Condo abgeben. Meine „Göttergattin“ kam mit dem Thema zu mir und wir haben das umgesetzt. Ich kann es nur empfehlen. Wir merkten, dass die Wohnung auch einmal ausatmen musste und im Laufe der Monate haben wir die Condo-Methode angewandt. Sowas geht eben auch nicht in 2-3 Tagen. Das braucht Zeit und du solltest dich dabei nicht unter Druck setzen. Ich empfinde, das wir jetzt viel mehr die Klarheit leben, das Haus ist leicht und luftiger geworden, wobei auch die Zeitabläufe (z.B. Koffer packen) extrem viel schneller und einfacher geworden sind. Wenn wir uns heute etwas kaufen, dann ist die Auswahl und Entscheidung leichter, weil ich weiss, was ich zum überleben wirklich brauche und was nicht.

    • Autor
      Silja 5 Jahren vor

      Lieber Ralf,

      ja ich bin ganz motiviert und freu mich auf die Kondo-Prozesse hier. Wir nehmen uns Zeit, lieb dass du darauf hinweist.
      Ich wünsch euch viel Luft und Atem und Spaß,
      schön dass du hier bist,
      Silja

  4. Silke 5 Jahren vor

    Ach Silja, mal wieder herrlich! Tja, das mit dem Älterwerden – und der Veränderung des Körpers. Die Brüste hängen mehr und verändern die Form, der Po wird kleinwr und der Bauch größer und alles irgendwie weicher. Oder schlaffer. Je nachdem, ob ich einen liebevollen Tag mit mir habe oder einen kritischen. Und machmal packt es dich dann auch anders. Ich hatte die Wahl zwischen 5kg abnehmen oder Blutdrucktabletten. Da habe ich mich halt nochmal gequält. Was gar nicht so quälend war. Denn insgesamt tut es mir besser, in der Regel nicht so viel und so schwer zu essen – hat auch was mit dem Alter zu tun… genau wie dir passt mir der Muskelabbau am wenigsten, daher bin ich froh, dass ich noch nie wirklich still sitzen konnte und mein Körper Bewegung einfordert. Und die mit Spaß. 🙂
    LG, Silke
    PS: ich habe mich nie intensiv mit Marie Kondo beschäftigt und dogmatisch ihre Pläne befolgt, aber der Ansatz: was kein gutes Gefühl macht, kommt weg, EGAL was es gekostet hat, wer es geschenkt hat usw., hat mir sehr geholfen und ordentlich entrümpelt…

    • Autor
      Silja 5 Jahren vor

      Liebe Silke,

      ui Tabletten- ja da hast du noch mal einen anderen Motivationsschub bekommen, das glaube ich. Ich fühl mich interessanterweise jetzt schon wieder wohler, einfach, weil ich ein wenig Sport gemacht habe. Und daran Spaß habe. Ich glaube, es ist ein immer wieder neu justieren und schauen, womit wir uns wohlfühlen.
      Ich drück dich!
      Silja

  5. Hallo Silja,

    Ich hatte genau das gleiche Gefühl neulich auch. Plötzlich ein Bäuchlein zu sehen, das ich vorher so nicht gesehen habe. Habe ich tatsächlich so viel zugenommen oder gibt es noch mehr. Ich zog den Bauch ein und sorgte für eine innere Anspannung, die mir nicht gut tat. Mein Kopf assoziierte sofort:“Schwanger“!.
    Doch da war vorher klar die Regelblutung. Kann also nur abgefütterter Winterspeck sein.
    Nun gehe ich wieder regelmäßig joggen, mache Yoga kombiniert mit Kräftigungsübungen, damit ich mich wieder wohler fühle.
    Danke dafür, dass es anderen auch so geht. Das tut gut.

    • Autor
      Silja 5 Jahren vor

      Liebe Anna-Christina,
      danke dir! Ja es geht uns alles so und ja, mir hilft ein wenig Sport gerade auch sehr. Einfach wieder ein wenig den Körper fühlen tut mir gut.
      Ich schick dir einen lieben Gruß,
      Silja

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