Yogasutra 1x 1: Asteya – die Kunst der eigenen Fülle

Yogasutra 1x 1: Asteya – die Kunst der eigenen Fülle

Yogasutra 1×1: Asteya – die Kunst der eigenen Fülle

Dieses Yogasutra bedeutet eigentlich „nicht stehlen“ . Doch der Gedanke von Patanjali geht für mich, dank der wunderbaren Inspiration vom Lieblingsbuch (siehe unten), noch ein Stück weiter. Denn jedes Stehlen hat eine Ursache. Es ist ein Symptom, nicht die Wurzel des Übels und ja, ich bin ganz bei Patanjali, es kann uns den Seelenfrieden wirklich rauben. Die Frage ist daher: Wann haben wir Lust, etwas als unseres auszugeben, auch wenn es das nicht ist? Wann schmücken wir uns mit fremden Federn oder vereinnahmen da, wo wir keine Erlaubnis haben? Nicht zu stehlen setzt ein gesundes Maß an Achtsamkeit voraus und die Fähigkeit, an die eigene Fülle zu glauben und zu wissen, dass da genug ist.

Genug und der Wunsch nach mehr

Und doch treibt uns oft der Wunsch nach mehr. Mehr Sonne. Mehr Geld. Mehr Anerkennung. Mehr Freizeit. Mehr Schlaf. Ein Genug scheint uns träge zu machen. Das Mehr, das wir uns so sehr wünschen, treibt uns an im Leben. Es ist die Motivation, die uns früher aufstehen lässt (mehr Gelassenheit = meditieren am Morgen) oder die Motivation, die uns Menschen treffen lässt (Tinder = mehr Romantik?).  Und manchmal geht die Rechnung auf. Auf jeden Fall sind wir daran gewöhnt, dass es ein Mehr gibt und glauben fest daran. Es scheint nur eine Ecke weiter und vielleicht führen unsere Motivation und unser Antrieb nicht immer nur zu den ehrbarsten Verhaltensweisen?

Mangel

Denn wir nehmen mehr, wenn wir uns nicht reich fühlen Wo wir beim Kern wären: All diese Wünsche zeigen, dass wir einen Mangel verspüren. Und so rennen wir und rennen wir, damit es endlich genug ist. Wir ankommen.  Je mehr wir spüren, dass es einen Mangel gibt, umso mehr wächst die Angst in uns. Wir könnten zu kurz kommen / nicht gesehen werden / nicht liebenswert sein / nicht gut genug. Plötzlich schauen wir mit Neid auf andere, die vermeintlich mehr haben. Wir wägen das Glück ab und versuchen es messbar zu machen. Egozentrisch wie wir sind, verzerren wir dabei häufig. Gefühlt ist die andere Schlange an der Kasse einfach immer schneller – ihr wisst was ich meine?

Wer reich ist…

Wer innerlich reich ist, der braucht nicht stehlen. Wenn wir durchs Leben gehen und sehen, wie viel da ist, statt was wir alles mehr brauchen könnten, verändert sich unser Lebensgefühl. Aus Mangel wird Fülle. Aus Verlangen wird Dankbarkeit. Vielleicht kommt der Traumprinz gar nicht, wenn wir wie verrückt suchen, sondern erst, wenn wir uns in unserem Leben wohlfühlen? Wenn es (fast) egal ist, ob er auftaucht? Niemand und nichts kann unseren Seelenfrieden so sehr beeinflussen wie wir selbst. Wir können jagen, vergleichen und suchen oder dankbar sein, genießen, leben – es ist immer unsere Wahl.

Stehlen

Das Stehlen zeigt unseren Mangel. Natürlich auch das offensichtliche Fehlen von Fairness und Respekt, aber vor allem den Mangel. Wer Ideen anderer klauen muss, vertraut seinen eigenen vielleicht nicht oder bemerkt den Mangel an Drive und Elan. Wer ein falsches Rückgeld einsteckt, der fühlt das eigene Portemonnaie mit Sicherheit nicht voll genug oder gar sich selbst ein wenig betrogen. Selbst Kleinigkeiten, wie das unter den Tisch kehren eigener Talente, sind eine Art Diebstahl. Wir stehlen uns damit die eigene Anerkennung. Verrückt, oder?

Achtsam sein

Letztlich geht es wieder darum, uns selbst zu beobachten: Was erzählen wir uns da manchmal für kleine Geschichten? Wie rechtfertigen wir uns? All die  „Das schadet doch keinem!“ Behauptungen, die Unsicherheiten, die Achtlosigkeit und dieser ganze Kram. Asteya ist (wie alles?) ein Weg und wie immer können wir am Symptom oder seiner Ursache arbeiten. Und genau das ist die Praxis, die Veränderung, denn jede Übung, jede Beobachtung, jeder Versuch entwickelt uns weiter. Wie wir im Yoga auf unserer Matte Jahr für Jahr, Praxis für Praxis, immer feiner werden, immer mehr spüren, wo etwas passiert- so ist es auch hier. Fern der Matte die Muster erkennen lernen, die den Mangel machen, das ist ein feines Ziel. All die Muster identifizieren, die ein Gefühl von Isolation, Einsamkeit oder sogar Wut bescheren. Denn all das wird uns letztlich stehlen lassen.

Asteya bei den Liebsten

Stehlen heißt übersetzt für mich auch, etwas zu fordern, was jemand anders nicht freiwillig geben will. Wo wir bei all den Beziehungen in unserem Leben wären. Sei es der Partner, die Familie, Freunde, Kollegen. Im Mangel fordern wir auch hier ein. Manchmal wünschen wir uns, dass uns jemand anders glücklich machen könnte. Gerade dann, wenn wir uns blöd fühlen. Oder, dass uns jemand retten kommt, wenn die Überforderung anklopft.  Wir bauen verrückte Bilanzen in unserem Kopf, in denen wir aufrechnen, wer dem anderen was wie schuldig bleibt. Wie unglücklich uns das macht, merken wir dabei oft gar nicht.

Asteya im Alltag

Wo wir bei dem wären, was zu tun ist. Ja, all das machen wir und doch gibt es einen Weg raus aus dem Schlamassel. Denn letztlich müssen wir nur den Blickwinkel wechseln und uns auf die Fülle konzentrieren. Auf all das, was uns reich macht. Auf all das, was andere tun (statt was sie lassen). Je mehr wir unsere Wahrnehmung trainieren und das Glück in unserem Leben sehen, umso seltener brauchen wir mehr. Also demnächst:

  • Bade in Fülle und lass keinen Tag ohne Dankbarkeitsrituale vergehen. Setz dich hin, morgens oder abends und geh all das durch, was du in deinem Leben schätzt. Denk an Situationen, für die du dankbar bist. Menschen, die du liebst und die dein Leben reich machen. An Dinge, die dir vieles erleichtern. Fühl, wie gut das tut.
  • Stopp alle negativen Gedanken und Bewertungen, in dem du sie lernst zu bemerken und loszulassen. Spür wie ein Gedanken aufkommt, dann atme durch und lass ihn einfach ziehen. Du wirst sofort bemerken, wie es leichter wird. Fast so, als würde eine Gewitterwolke sich verflüchtigen. Und wenn das mal schwer fallen sollte, frag dich einfach: Will ich glücklich sein oder recht haben?
  • Wenn du neidisch bist frag dich, was dir fehlt. Welches Gefühl würde entstehen, wenn du genau das auch hättest, was jemand anders hat? Geh diesem Gefühl nach und beginn dein Leben zu gestalten. Es gibt 100 Wege, um sich geliebt/ schön / wertvoll / wichtig/ … zu fühlen. Gib dem Trugschluss keine Chance, dass es nur dieser eine Weg sein könnte. Und dann gönn der anderen Person das, was sie hat. Es ist ein Beweis dafür, was geht. Für dich hat das Leben (vielleicht) etwas anderes vor.
  • Such bewusst nach dem Gutem in einer Person, Situation, Sache und bei dir selbst. Es ändert alles, wenn wir anders lernen Ausschau zu halten. Plötzlich bemerken wir, dass der vermeintlich ignorante Kollege gar nicht so unfreundlich ist, sondern sehr witzig sein kann. Oder, dass der Partner nicht nur seinen Kram rumliegen lässt, sondern auch für Geborgenheit sorgt. Dass das alte Auto verlässlich fährt und die Wohnung ohne Balkon eine perfekte Lage hat. Fülle schafft Zufriedenheit. Lass dir das nicht entgehen.
  • Asteya auf der Matte kann bedeuten: Fühl auch hier die Fülle. Konzentrier dich auf das, was Yoga dir schenkt, nicht auf das, was du meinst können zu müssen oder tun zu müssen. Atme tief und beende jede Yogapraxis mit einem Moment tiefer Dankbarkeit. Preise deine Lehrer, Traditionen, deinen Körper und deine Disziplin. All das hat dich hier her geführt und es ist so wertvoll. Halt es nicht für selbstverständlich.

Oh ich bin so bereit noch mehr Fülle einzuladen und ihr? Und ich bin neugierig: Was hilft euch Mangelgedanken keine Chance zu geben und entspannt und bewusst die Fülle ins Leben einzuladen? Ich bin wie immer gespannt und wünsch euch ein wunderbares Wochenende.

Alles Liebe,

Silja

PS: Lieblingsinspirationsbuch zum Thema:

Wie immer gilt: Im Lieblingsladen bestellen ist wichtig, damit er bleibt. (Wenn ihr über den Link bestellt profitiere ich ein wenig).

PPS: Das wunderbare Foto hat Miriam Dierks  – liebäugeln gemacht – sie ist super und ich sage herzlich danke!

PPPS: Hose und Oberteil im Bild sind PR Samples von Magadi , bei denen ich mich auch ganz herzlich bedanken möchte.

Hallo, ich bin Silja. Gründerin von Glücksplanet und Trainerin, Coach, Yogalehrerin, fröhliche Mama von drei Söhnen, glückliche Ehefrau, begeisterte Pflanzenesserin, beseelte Yogaübende. Mein Herz schlägt für Psychologie und Coaching, Yoga und gutes, gesundes Essen. Ich schreibe mit Leidenschaft über alles, was helfen kann ein glückliches, entspanntes und begeistertes Leben zu leben. Mehr findest du auf meiner "Über mich" Seite. Für tägliche Inspiration folge mir auf Facebook oder Instagram.

2 Kommentare

  1. Eva Backhaus 7 Jahren vor

    Der Artikel ist so wunderschön geschrieben, vielen Dank für das kleine 1×1. Würde mich auf ein weiteres freuen 😉
    Du erklärst es sehr treffend und plötzlich taucht man selbst drin auf *uuups*

    Bitte schreibe weiter für uns…..wenn es sich auch für dich gut anfühlt.

    Liebste Grüße,

    die Evi

    • Autor
      Silja 7 Jahren vor

      Liebe Evi,
      super gern! Danke dir für dein liebes Feedback und bis ganz bald,

      Silja

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