Warum wir dringend Ziele brauchen und warum sie nicht immer gut sind für uns
Habt ihr Ziele? Wisst ihr wo ihr hin wollt? Was ihr erreichen wollt? Wie ihr aussehen/ leben/ was ihr renovieren wollt? Ich auch. Und das genau ist das Problem! Im Studium habe ich gelernt, dass Ziele für uns wichtig sind. Sie richten unser Verhalten aus. Sie sorgen dafür, dass wir bestenfalls konkrete Pläne machen, vielleicht sogar sogenannte Meilensteine auf dem Weg zu unserem Ziel festlegen und ….loslegen. Sie aktivieren uns! Machen aus Couchpotatoes Marathonis und noch viel mehr. Auch im Arbeitsalltag sind sie nicht mehr wegzudenken. In vielen Firmen sind Ziele ein wichtiges Steuerungsinstrument. Sie zeigen den Mitarbeitern, was gerade wichtig ist, was von ihnen verlangt wird und wo es lang gehen soll. Soweit, so gut.
Wie ist das denn mit Zielen?
Ich habe für mich gute Erfahrungen gemacht mit Zielen. Und ich hatte schon viele Ziele! Profane und weniger profane. Von jeden Tag joggen gehen (na ja, es ging eine Zeit gut) über Haare lang-wachsen lassen bis zu Familie gründen und Kinder haben. Auch im Job haben mir Ziele gut getan. Ich musste sie aber erst entdecken. Anfangs waren es eher „Weg-davon“ -Ziele wie „Bloß nicht noch mal so einen Job!“. Gar nicht so schlimm so ein Ziel, denn es hat mich in die ein oder andere Fortbildung getragen. Später, mit dem Selbstvertrauen, kamen auch die „Dahin-will-ich“ Ziele dazu. Sie haben mir ein Studium jenseits der Dreißig möglich gemacht und haben dafür gesorgt, dass ich die Traute hatte mich beruflich zu bewegen. Immer näher an Aufgaben, die mich erfüllen. Also könnte ja der Post hier schließen mit dem Fazit Go for goals ! (nicht gold)……tut er aber nicht.
Denn manchmal bin ich mir nicht mehr sicher, ob Ziele Fluch oder Segen sind. Segen, denn sie helfen mir fokussiert zu sein.
Fluch sind sie auch, denn..
Ziele lassen uns immer in die Zukunft blicken
– und leider nicht im Jetzt sein. Ich erwische mich dabei, wie ich Erfolge nicht genieße sondern überlege, was sie mir bezüglich meiner nächsten Schritte „bringen“ und was jetzt der logische, nächste Schritt sein muss. Furchtbar! (Ich schüttel mich mal kurz). Da hilft nicht mal meine Meditation am Morgen! Diese Ziele lassen mich nicht in der Gegenwart sein, denn das verheißungsvolle Land liegt immer noch in der Zukunft. Und das ist nicht gut. Jedenfalls nicht ganz und gar gut, wie ich es gerne hätte.
Ziele erinnern uns daran, was wir noch nicht haben
– logisch, sie sollen ja unser Motor sein. Leider bleibt unser Blick dann oft defizitär. „Auch kleine Erfolge feiern“ wird als Rat hierfür in Projektmanagement-Seminaren geschult. Schön und gut, aber -ich bleibe mal bei dem Bild des verheißungsvollen Landes – wir sind immer noch nicht da. Der Weg liegt weiter vor uns. Und wir haben erst eine größere oder kleinere Zwischenoase erreicht. Das macht einfach nicht so einen Riesenspaß wie endlich ankommen, oder?
Ziele lenken unseren Blick weg von unserer Intuition.
Denn sie sind außen – jedenfalls die meisten. Ich bin mir nicht sicher, ob ich, durch die ganzen Ziele und Visionen, die in meinem Kopf herumspuken (ich hätte da noch ein paar…) mir nicht dabei im Weg stehe mehr in mich/ auf mich zu hören. Ich wäre gerne noch intuitiver. Das ist aber schwer, denn mein Handeln ist bereits ausgerichtet -auf mein Ziel natürlich, ich bin nämlich ziemlich diszipliniert. Zudem lande ich dann zwangsläufig im bewerten: War das gut? War das hilfreich für den Weg? Und ganz ehrlich: Bewerten? Bewerten macht auf keinen Fall entspannt und glücklich meine ich!
Also weg mit den Zielen?
Hm. So einfach ist das nicht. Es gibt ja auch Ziele oder vielmehr Visionen, oder Träume, die uns beflügeln. Für mich gibt es eine Vision, ein Bild von mir, was in mir maximales Wohlbefinden auslöst – ich muss nur kurz daran denken. Und natürlich sorgt diese Vision dafür, dass ich Entscheidungen leichter treffen kann. Oder in manchem, was mir passiert, einen anderen Sinn sehe. Das ist so schön, das darf bleiben.
Trotzdem will heute ein Plädoyer halten auf Ziellosigkeit!
Hier ist mein neues Rezept: Habt ihr eine Vision, die euch beflügelt? Behaltet sie, hegt sie, pflegt sie! Habt ihr eine Handvoll Ziele oder mehr so wie ich? Dann mistet dringend aus! Genießt den Moment! Es gibt so viele Motoren an den Hamsterrädern, in denen wir laufen. Und es wird Zeit, dass wir ein paar davon abschalten.
Mein Ziel (haha!) ist es also für die nächste Zeit ziellos zu sein. Abgesehen von dem großen Tagtraum. Der Rest wird ausgemistet. Verschoben. Gestrichen. Ich will wieder mehr sein. Mehr fühlen. Mehr innehalten. Noch mehr genießen. Ich denke, was würde durch meinen Kopf fliegen, wenn ich morgen wüsste, mein Leben ist zu ende? Würde ich bereuen, dass ich Ziele (noch) nicht erreicht habe? Oder eher, dass ich die Momente nicht genügend ausgekostet habe? Das da noch Luft nach oben ist? Ich glaube Letzteres. Also, Zeit mehr zu genießen. Und los gehts!
Ziellos glücklich wünsche ich euch einen guten Start in euer Wochenende!
16 Kommentare
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Sehr schöner Blog. Danke Silja!..
Das ist auch für mich ein Thema mit dem ich mich in letzter Zeit intensiver beschäftigt habe. Ich bin auch zu dem Schluss gekommen, dass Ziele für mich nicht (immer) das non -plus -ultra sind, so wie ich es im Studium aufgefasst habe…
Erschreckend fand ich es bspw. das im FitnessStudio bei der Frage nach meinen Zielen mein Wunsch "Spaß zu haben und gerne zu kommen" weiter hinterfragt wurde und auf wenig Zustimmung stieß…muss den das Ziel immer Leistungssteigerung, Verbesserung und Optimierung bedeuten??? Kann ich denn nicht einfach mal so weiter machen, wie ich es gerade für gut und richtig empfinde und den Augenblick genießen, statt gleich weiter zu streben ???
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Hallo liebe Corina,
wie schön von dir hier zu hören und danke für das Lob.
Das mit dem Fitnessstudio ist so bezeichnend, oder? Selbstoptimierung wohin man nur schaut. Ich lass mich davon viel zu oft anstecken. Mein Blick hat sich nach der Studienzeit da auch ordentlich gewandelt. Und ich habe das Gefühl, dass immer mehr Leute aussteigen wollen aus diesem ganzen extremen Leistungsding überall. Wir können ja auf jeden fall schon mal anfangen und lieber entspannt sein.
hab ein schönes Wochenende und bis bald
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Liebe Silja, über Deinen Gastpost bei Frau Momo hab ich hierher gefunden. Und ich hab mich gleich festgelesen. 🙂 Ziele, so wie du schreibst haben ihr Für und Wider. Bei mir merke ich, dass momentan nicht die Zeit ist für große Ziele. Ich finde mich in Deinem letzen Punkt stark wieder. Ich bin gerade am Orientieren, wo/wie es (mit mir) weitergehen soll. Und da sind zu viele Gedanken (ja, das kann ich gut!) manchmal hinderlich.
Alles Liebe, Martina 🙂 -
Sehr schöner, anregender Beitrag! Ich glaube, es ist alles eine Frage der Balance. Ich kann mich gut mit dem identifizieren, was du schreibst und weiß, dass die Zielstrebigkeit ein Teil von mir ist. Sie darf da sein – zu ihrer Zeit. Sie darf aber auch mal Pause haben, wenn Genießen dran ist. Ich glaube, sie würde sich arg beschweren, wenn ich ihr die Existenz absprechen würde, indem ich sie durch Ziellosigkeit ersetze!^^ Soll jetzt nicht kritisch gemeint sein, ich kenne nur meine inneren Mechanismen, mit denen ich manchmal versuche, mich selbst auszutricksen!^^
LG, Frau Momo
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Danke dir! Und du hast recht, so ganz ziellos ist es vielleicht auch nicht wirklich gut. Mir ist es aber gerade zu viel. Und ein Ziel ist da, das reicht – und der Rest wird erstmal gestrichen. Das fühlte sich gestern sehr befreiend an. Ich brauche vielleicht noch, bis ich eine gute Balance finde. Ich neige irgendwie dazu, zu sehr auf meine Ziele zu schauen. Das muss einfach aufhören 😉
Liebe Grüße!
Silja
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Liebe Martina,
danke für das Kompliment. Schön, dass du gerade dir die Zeit nimmst zum orientieren und den Weg suchen- ich finde, das muss sein und darf in Ruhe geschehen. Sonst finden wir uns irgendwann irgendwo wieder und fragen uns: Wie ist das denn nun passiert? Große Ziele kommen sicher, wenn die Zeit reif ist. Dann genießen wir mal beide das ziellose Wochenende, oder?
Liebe Grüße
Silja
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Das verstehe ich und ich kenne so Phasen, wo alles ratzefatz gehen muss, das nicht wesentlich für den Moment ist.
Gleichzeitig glaube ich, dass wir die Balance auch immer wieder neu herstellen "müssen", weil uns ja auch immer wieder etwas entgegengesetzt wird, wir vom Außen aufgefordert werden, Position zu beziehen. Wir sind ja nie immer ganz und gar im Hier und Jetzt und in unserer Mitte. Alles ein Werden und Vergehen. Und wo du doch schon siehst, wie du es nicht willst bzw. willst, wird sich auch der Weg weisen… 🙂Liebste Grüße,
Frau Momo -
Das hoffe ich auch 😉
Liebe Grüße zurück!
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Witzig, dass Du gerade heute über Ziele schreist.
Mein momentanes Ziel ist es, mich beruflich zu verändern.
Und ich habe viele grüblerische Wochen hinter mir….Fest steht, dass ich aus meinem Job raus will. Ich will nicht mehr "unter jemandem arbeiten" (und mich den be********** Launen irgendwelcher Chefs (und Chefinnen aussetzen) und ich will das tun, was mich wirklich interessiert, mir Freude macht.
Die gewählte Ausbildung ist nicht das wirkliche Ziel, sondern eine Basis für das, was ich anstrebe.
Ziele zu haben ist spannend. Und macht manchmal Angst (vor der eigenen Courage…)
Viele Grüße
Amelie -
Liebe Amelie,
schön von dir zu hören und wie gut, dass du dich umorientierst und weißt wohin es gehen soll. Wenn nicht hätte ich dir das tolle Buch "Finde den Job der dich glücklich macht" empfohlen. Es hat mir mal sehr geholfen. Aber ich brauche jetzt eine Ziel-Pause. Es wird auch wieder andere Zeiten geben. Im Herbst starte ich auch noch eine kleine Ausbildung nebenbei. Yogalehrerin möchte ich gerne werden. Für mich, für meine eigene Praxis und ich glaube, es wird auch einen guten Einfluss auf meine Arbeit haben. Was hast du vor?
Liebe Grüße!
Silja
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Liebe Silja,
gerade heute habe ich einen ganz ähnlichen Post veröffentlicht, in dem es u.a. um das Gefühl geht, nicht zu genügen und was man dem entgegen setzen kann (http://greenmaren.blogspot.de/2013/06/von-lebensfreude-und-den-ganz.html)
Ich habe deinen Blog erst vor kurzem entdeckt und mich sehr gefreut, dass hier noch jemand ihre antrainierten Grenzen im Kopf einreißt, um Platz für ein zufriedeneres und gelasseneres Leben zu schaffen. Das tue ich auch und ich freue mich, ab heute bei dir zu stöbern und zu lernen!
Liebste Grüße, Maren -
Yogalehrerin klingt ja klasse!
Der Tipp hätte mir sicher sehr geholfen, wenn nicht nun endlich die Entscheidung gefallen wäre (mit der ich mich sehr schwer getan habe).
Ich werde Heilpraktikerin.Dieses Berufsziel begleitet mich schon viele Jahre. Stand vor den Kindern schon mal zur Diskussion – der Kinderwunsch hat gesiegt.
Eigentlich scheue ich den Aufwand…. 3 Jahre lernen und ganz billig ist es auch nicht. Aber alle, die mein Grübeln kommentiert haben haben es mit "Du musst HP werden!" getan.
Sie haben Recht. Ich will dann mal nicht so faul sein 😉 und meiner beRUFlichen Zukunft ein seriöses Fundament geben.
Viele liebe Grüße
Amelie -
Liebe Silja,
Du hast mal wieder ein sehr interessantes Thema angesprochen. Dazu fallen mir direkt ganz viele Gedanken ein.
Bestimmte Ziele zu haben ist zum Teil wichtig, damit wir uns überhaupt bewegen. Denn Trägsein kann ja auch Spaß machen oder wir richten uns im Unglück ein und sagen, dass es gar nicht so schlimm ist. Der Job ist dafür ein gutes Beispiel…
Aber immer nur den Zielen nachzujagen, sie abzuharken und den neuen Zielen nachzujagen und das Jetzt nicht zu genießen und auch mal zufrieden zu sein, mit dem was man hat, wo man ist oder wie es ist, ist nicht gut.
Nach dem schrecklichen Unfalltod meines Schwiegervaters habe ich mir vorgenommen, jetzt zu leben, nicht morgen oder irgendwann. Denn ob ich das Morgen noch haben werde, weiß ich nicht. Eine kleine Sekunde kann das Leben um 180 Grad drehen.
Also muß man für sich einige Dinge klären und dann eine gute Mischung aus Zielen, die sich wirklich lohnen, und Trägheit finden.
Das klappt nicht immer. Aber dieses "Immer weiter, immer höher, immer schneller" möchte ich nicht mitmachen. Weder im Job noch im Privaten.
Man hetzt oder wird durch das Leben gehetzt und fragt sich dann eines Tages: war das alles, war es das wert und wo ist das Leben geblieben?
So, und damit das jetzt nicht den Rahmen sprengt, höre ich mal auf zu schreiben. 🙂
Ich wünsche Dir einen schönen Restsonntag.
Liebe Grüße
Andrea -
Hallo Andrea,
ja du hast recht – sie helfen uns gegen die Trägheit und helfen uns raus aus "doofen" Situationen und das ist gut so UND ich will noch mehr das Jetzt genießen . Das was du schreibst über das Leben und wie schnell es gehen kann glaube ich auch! Also, wir zwie sind raus aus "schneller, höher , weiter"! finde ich gut 🙂
BIs Morgen
Silja
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Liebe Amelie,
ein toller Plan und sicher eine gute Investition. Das mit dem lernen klappt wenn man einmal wieder drin ist. Du wirst sehen: Und du wirst viel viel Spaß haben. Ich wünsche dir, dass es dich sehr glücklich macht. Es ist ein verantwortungsvoller Beruf, der vielen helfen kann.
Liebe Grüße und viel Erfolg und Spaß auf dem Weg zu deiner BeRUFung 🙂
Silja
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Hallo Maren,
da schaue ich gleich mal an! Danke für den Tip und bis bald
Liebe Grüße
Silja