Warum zu alt niemals gilt
Ist euch schonmal aufgefallen, dass die Welt eine klare Meinung davon hat, wann was passieren sollte? Als ich im zarten Alter von 24 Jahren mit meinem ersten Sohn schwanger war, gab es die ersten, die mir ein „ist das nicht ein bisschen früh?“ entgegen raunten. Was sich durchzog, zumindest ein paar Jahre lang. Dann war eine Zeit lang alles ok. „Du siehst noch gar nicht nach xxx Jahren aus“ begann es plötzlich mir entgegen zu schallen. Was sich wiederum ein wenig späterp (Mitte 30 ) in ein „Für xx Jahre siehst du aber noch jung aus“ entwickelt hat. Und ja, ich versuche das Kompliment dahinter zu hören. Echt jetzt. Vor ein paar Jahren allerdings, da schlich sich etwas Neues ein. Ein „Bist du dafür nicht ein wenig alt?“ wurde ich bisweilen gefragt und hier, ihr Lieben, hier hört der Spaß auf.
Lass dich nicht täuschen
Vermeintlich kommt die Frage nach dem „zu alt“ ja harmlos daher. Fast fürsorglich scheint der Fragesteller sich um unser Wohl zu kümmern. Liebenswürdig, oder? Oder ist hier jemand als (unbewusste) Bremse unterwegs? Erstickt da jemand die mutige Energie für Veränderungen im Keim der Unsicherheit? Was so schnell wirkt. Ich kenne Menschen, die haben sich ins Bockshorn jagen lassen und den Job dann doch nicht gewechselt/ die Hose dann doch nicht gekauft/ die Party doch nicht mit dem Lieblingsmotto versehen. Wer will schon der oder die sein, die das eigene Alter unterschätzt? Sich jugendlich wähnt, während andere den Kopf schütteln? Scham ist ein großes Gefühl. Wir alle hatten Momente in unserer Kindheit, Jugend, im Erwachsenenalter, in denen wir im Boden versinken wollten. Wenn das getriggert wird, kann es uns ausbremsen. Die Frage jedoch ist, ob wir es zulassen.
Die eigene Erwartung
Wo wir bei dem wären, was all das Spiel mit der Scham überhaupt möglich macht: Unsere Erwartung. Mensch, wie gerne wäre ich einigermaßen perfekt. Ich würde so gerne immer die richtige Antwort wissen, mich IMMER korrekt verhalten, meine Moral, sei bitte tadellos, mein Aussehen gerne auch. Aber wer ist schon so? Ich nicht. Ich bin manchmal vielleicht nur einen Hauch davon entfernt, ein anderes Mal Lichtjahre. Was gut ist. Echt. Kennt jemand da draußen auch nur einen solchen perfekten Menschen? Und überhaupt lieben wir an anderen meist die Ecken und Kanten. Und die merkwürdigen, peinlichen Momente sind, erstmal verdaut, oft das, worüber wir jahrelang noch lachen können. Wieso also, könnten wir manchmal Angst haben, „zu alt“ für etwas zu sein?
Älter werden
Vielleicht liegt es hieran: Ungefähr jeder, den ich kenne, fühlt sich jünger, als er oder sie ist. Manche haben kein Thema mit der Zahl, andere fürchten den nächsten Geburtstag. Bei mir schien alles, was mit dem Älterwerden zu tun hat, so fern. Doch heute? Heute gehe ich, wie der Supermann Zuhause gerne betont, „stramm auf die 50 zu“ und so kommt die Frage nach dem Alter neuerdings häufiger vor, wenn ich von Plänen berichte. Ob ich darüber nachgedacht habe meine Haare wachsen zu lassen, zu kündigen, mich in die nächste Ausbildung zu stürzen? Kühn einen Modetrend mitzumachen? Ich dachte nach und andere hatten eine Grenze im Kopf – was mich, eine Zeitlang, unsicher werden lies.
Zu alt gilt nicht
Bis mir aufging: Diese Frage greift nur, wenn ich das Weltbild übernehme. Will ich aber gar nicht! Ich will älter werden, graue Haare kriegen, ich will Falten und selbst die Dellen sind ok. All das zeigt mein Leben. Wenn wir zulassen, dass der Jugendwahn dafür sorgt, dass wir einen Teil von uns verleugnen wollen – dann läuft was falsch. Und ja, auch die Wehmut darf mal sein. Diese seltenen (zum Glück) Momente, wo man sich überlegt, was wäre, wenn man jetzt nochmal 20/ 30 / 12 wäre? Diese Momente, in denen wir uns hinterfragen. Aber zu alt? Nein, das gilt nicht. Jetzt ist das Leben. In diesem Moment. Es geht nie darum, wie gut wir reinpassen, sondern immer nur, wie gut wir unserem Herzen folgen.
Was sich ändert – und was nicht
Neuerdings wird mir regelmäßig warm und auch das nachwachsende Grau auf meinem Kopf zeigt mir, dass die 20er wohl ein wenig her sind. Aber was sonst sollte sich ändern? Egal, wie jung oder alt wir sind, wir haben ein Herz, was uns treibt, Dinge zu tun. Weiterhin Träume, die auf ihre Erfüllung warte. Wichtig ist doch eigentlich nur, wie glücklich wir sind. Wie frei wir uns fühlen. Wie wunderbar, einzigartig und bestimmt wir unseren Weg gehen dürfen. Also, lass dich nicht ins Bockshorn jagen, wenn dir jemand mit dem Alter kommt. Glaub an dich, unabhängig von jeder Zahl, egal ob es ein „zu jung“ oder „zu alt“ gibt – du bist du. Nur du machst deinen Zeitplan.
Liebste Grüße
Silja
Foto von : Miriam Dierks. Wie immer wunderbar. Und ja, Werbung. Unbezahlt. Gerne.
8 Kommentare
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Oh ja, das kenne ich auch. Ich beende gerade eine anspruchsvolle Fortbildung, die ich gestartet hatte sobald die Kinder aus dem Haus waren, und ein Bekannter meinte neulich: dass Du Dir das in Deinem Alter noch antust….hallo? Ich bin 49 und fühle mich noch kein bisschen alt!!! Gut, wahrscheinlich lernen manche 20jährige etwas schneller als ich, dafür bin ich sehr konsequent drangeblieben (etwas das ich mit 20 wahrscheinlich nicht geschafft hätte). Überhaupt fand ich meine Mutterschaft sehr viel hinderlicher in vielerlei Hinsicht als es das Alter je sein könnte…und so fühle ich mich nun oft voller Tatendrang und habe noch ganz viel Lust, neues zu tun…
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Autor
Ja das versteh ich so gut, liebe Ursula! Spannend oder? Umso wichtiger seinem Herzen weiter zu folgen 🙂
Viel Spaß bei allem und liebe Grüße
Silja
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…du sprichst mir aus der Seele.
Danke für die treffenden Worte, die einem gleich nochmals beflügeln „sein Ding“ zu machen, völlig unabhängig vom Alter und den Erwartungen anderer.-
Autor
Jajaja!! Das sollten wir alle ❤️
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Ich denke, die meisten von uns fühlen sich „jünger“, als sie es, gemessen an dem eigenen, zur Zahl passenden Weltbild, „dürften“. Wir sehen das Älterwerden der anderen. Aber in Wahrheit altern wir alle höchstens körperlich, das eine oder andere geht auf einmal schlechter als früher (trotz Yoga). Geistig gewinnen wir mit jedem Jahr, jedem Tag so viel dazu, das nehmen wir oft zu selbstverständlich hin!
Schließlich hindern der ständige Vergleich mit dem eigenen früheren Ich und die Sorge um das eigene spätere Ich daran, das heutige Ich zu SEIN.
Das Leben ist schön. Jetzt.
Find ich.
Grüße
Christa
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Autor
Liebe Christa,
das hast du schön gesagt -vielen Dank.
Liebe Grüße
silja
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Ich frage mich immer dann immer wer definiert denn eigentlich „zu alt sein für etwas“?
Aus der Sicht von 70jährigen bin ich mit 45 noch jung, aus der Sicht von 20jährigen alt. Dieser Satz kommt doch meist von gleichaltrigen. Und dann oft von denen, die latent unzufrieden sind sich aber nicht trauen etwas an/ in ihrem Leben zu ändern (und lieber Zeit damit verbringen nach Gründen zu suchen warum sie nichts ändern können). Von Älteren oder Jüngeren habe ich diesen Satz noch nie gehört, meist eher Bestätigung oder Bewunderung, dass ich nochmal was Neues wage. Und meist nagt der Satz doch auch nur, wenn wir selber nicht 100% von unserer Entscheidung überzeugt sind. Sei es etwas banales wie einen Bikini am Strand zu tragen oder nochmal sein Leben neu zu ordnen.-
Autor
Hallo Jule,
sowas von recht hast du.
Liebe Grüße
Silja
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