Lauter schlechte Gefühle -und was hilft
Kennst du das? Etwas passiert und du merkst, wie lauter schlechte Gefühle über dich schwappen und sofort beginnst du zu arbeiten? Willst nicht mehr so genervt oder so ungeduldig, so schlecht gelaunt oder sorgenvoll sein? Ich meine, immerhin bist du spirituell unterwegs (du liest wahrscheinlich Selbsthilfebücher und hast einen kleinen Rosenquarz in deiner Wohnung herumliegen.) Da muss doch diese wunderbare Prise Gelassenheit oder wenigstens Mitgefühl irgendwo zu finden sein? Aber es will einfach nicht klappen? Ich wäre gerne, das kann ich schonmal zugeben, IMMER mein bestes Ich, ob nach Unfall oder mit Erkältung, ob an Regen oder Sonnentagen. Ich bin angetreten, um diese Glückssache zu meistern und ich fühle mich wie ein Versager, wenn es nicht klappt. Echt jetzt. Was natürlich wiederum auch nicht geht. Das innere „schäm dich!“ ist Gift fürs Glück und für die Laune und für die spirituelle Entwicklung sowieso. Also was tun, wenn du mitten in schlechten Gefühlen beginnst dich wegen deiner Gefühle noch schlechter zu fühlen?
Manche Dinge nerven.
So. Jetzt ist es raus. Trotz Dankbarkeitsliste (und ich liebe meine Dankbarkeitslisten) nerven mich manche Dinge. Nicht alles prallt ab am freundlichen inneren Lächeln, egal wie viel ich meditiere. Im Gegenteil, manches bausche ich mir innen sogar erst so richtig auf. Dabei geht es mir ja eigentlich gut. Die Liste der guten Sachen in meinem Leben ist toll und lang und ich bin trotzdem ab und an nörgelig. In der letzten Woche beispielsweise fühlte ich mich verwundbar und dünnhäutig und aufgrund der körperlichen Post-Unfall-Verfassung auch ein wenig lahmgelegt. Was nicht so gut geht bei mir. Ich liebe es Dinge zu tun. Das Ego also mit leichtem Knick, die Laune auch und dann zieht hier übers heilige Wochenende noch eine fette Erkältung ein und erwischt den Supermann als allererstes. Au weia.
Raus aus der Zone geht es in alle Richtungen
Womit ich jetzt einen der typischen spirituellen Weiterentwicklungssätze sagen könnte wie „und alles ist eine Aufgabe zu wachsen“ , was irgendwie ja auch stimmt. Ich wachse gerade. Erst bin ich gewachsen in Richtung Zusammenreißen. Dahin wachse ich schon eine ganze Zeit. Ich wünsche mir echt sehr, dass mein Ego, oder wie Eckart sagen würde mein Schmerzkörper, sich endlich verzieht und den Weg frei macht für diese sanfte, freundliche Version von mir. Manchmal ist sie da. Und manchmal nicht, dann reiße ich mich gerne zusammen. Was Arbeit ist. Etwas passiert, ich denke „Fxxx!“ und dann atme ich oder lasse die Wut raus oder gehe um den Block oder tanze es raus oder oder oder. Alles geht. Meistens. Und doch ist es anders, halt erwachsener, als mein altes Muster des archaischen Rumschreiens, des fiesen Recht-behalten-wollens. Ich knalle selten eine Tür und auch aufstampfen verbitte ich mir meist. Aber neulich, Erkältungen und Blechschäden sei dank, war ich voll raus aus meiner Zusammen-reiß- Komfortzone.
Die Lust, nicht mehr erwachsen zu sein
Ich hatte einen Moment lang so richtig Lust rumzuschreien. Nicht mehr so vernünftig zu sein. Ich wollte rausschreien, wie ungerecht ich das alles finde. Dieses kaputte Auto. Die Schmerzen. Die Angst. Ich hatte so Lust zu stampfen und tat es. Ich hätte auch gerne mal wieder einen Teller geworfen oder jemandem die Schuld gegeben. Hab ich aber nicht, das ging dann doch nicht. Dafür hab ich mir fasziniert angeschaut, wie in der momentanen Lieblingsserie (Working Mums) ein ganzes Esszimmer professionell (zum Stressabbau versteht sich) zerlegt wurde. Toll! Wenns das hier im Ruhrgebiet gäbe- das wäre mein Ort gewesen. Während ich allerdings ein wenig Kontrolle los lies, dämmerte es mir: Diese ganze Selbstfindungs-, Glücks- und Gelassenheitssache darf kein Druck werden. Das wäre verrückt. Das ist verrückt. Wir dürfen schlechte Gefühle haben. Wir alle! Sie gehören dazu! Sie machen uns menschlich und manchmal müssen sie auch raus. Weil wir Menschen sind, weil Perfektion keine Option ist und weil manches wächst, wenn wir es unterdrücken.
Wir sind alle
Wisst ihr was, ihr Lieben? Ich glaube, uns allen geht es zwischendurch mal so. Mal mehr, mal weniger. Es gibt einfach Tage, Wochen, Phasen, da ist das Leben schwer oder wir raffen etwas nicht oder wir verlieren ein wenig Glauben – und können uns und unser Leben plötzlich schlecht aushalten. Und so atmen wir und üben und oft helfen all die tollen Tools – aber nicht immer. Was ok ist. Was kein Scheitern ist. Es ist tatsächlich so: Wir lernen und wachsen in genau diesen Momenten. Und ja, das fühlt sich manchmal zum Kotzen an. Egal, wie klein die Lappalie ist, die den Stein ins Rollen bringt. Unser Frust gehört gewürdigt. Er zeigt, dass wir uns bemühen und das wir Menschen sind. Frust und Genervtheit und all das sind nicht unser Mangel, nicht die Stelle , an der wir besser werden müssen (DAS war echt mein Trugschluss). Sie sind vielmehr ein Zeichen, dass wir weiter Dinge verändern dürfen. Schlechte Gefühle sind die Freigabe zu Handeln.
Wir selbst sein
Wir sind immer beides: Der Mensch auf dem Weg, spirituell und wissbergierig und freundlich und voller Freude – und der Mensch im Leben, mit all den Höhen und Tiefen. Die Arbeit an Gelassenheit und Bewusstwerdung ist keine neue Form des Perfektionismus, dann wäre sie nur eine weitere Kompensation unserer eigenen Unsicherheit. Sie gibt uns vielmehr Perspektive – und zwar hoffentlich eine, die uns Kraft und Licht schenkt, wenn die Zeiten mal dunkler sind. All die Kanten und Ecken machen uns aus, sie lassen uns glänzen und einzigartig sein. Egal, wie gefällig sie sind. Darum geht es nicht.
Sich selbst aushalten
Die Lust an der Perfektion entsteht nur durch den Gedanken, wir wären so nicht genug. Wir könnten verlassen werden, nicht liebenswert sein oder würden es nicht schaffen. Was auch immer „es“ ist. Perfektionsdrang zeigt den Glauben an Mangel, während Neugierde, Enthusiasmus, Freude, den Wunsch nach Wachstum und Fülle zeigen. Nächstes Mal, wenn ich mich selbst fertig mache, weil meine Erleuchtung in weiter Ferne scheint, will ich mich genau daran erinnern. Das hab ich gelernt diese Woche. Nochmal aufs Neue. Wir sind hier um zu wachsen und das auf unsere ganz eigene Art. Alles, was wir tun können, ist den Druck rausnehmen. Immer. Das hilft sofort. Nicht anders sein zu wollen. Das Leben nicht anders zu wollen. Uns umarmen und aushalten und annehmen. Den ganzen Salat. Und sofort ist der Atem tiefer und alles wieder etwas besser. Verrückt, oder?
Namasté und alles Liebe,
Silja
PS Fotos sind alle von Miriam
8 Kommentare
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…es tut so gut zu lesen, dass es auch dir manchmal so geht. Zu lesen, dass der Mensch nicht perfekt ist, immer dazu lernt …. Diese Bestätigung erfüllt mich gerade mit vielen Gefühlen. Schon lange habe ich mir angewöhnt Dinge, die ich nicht ändern kann abzunehmen…es klappt immer besser und ich fühle, wie gelassen ich werde. Früher hätte ich mich hilflos gefühlt oder wütend 🙂 Danke für deine Gedanken & Texte, danke das ich dich gefunden habe <3 LG Martina aus Duisburg 😉
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Autor
Liebe Martina,
ich schick dir einen ganz lieben Gruß zurück und ja! Es klappt nicht immer und darf so sein, annehmen tut so gut.
Alles Liebe,
Silja
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Habe gerade das Glücksjahr 2020 vorbestellt! 😊
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Autor
Jippieh!!!
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„Schlechte Gefühle sind die Freigabe zu Handeln.“ Das ist so weise liebe Silja! Ein Satz der in mein Heft für ganz besondere Sätze kommt.
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Autor
Liebe Anna – ich freu mich. So gerne.
Alles Liebe,
Silja
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Liebe Silja
Danke von Herzen für diesen wundervollen Text! Deine Worte haben mich berührt, insbesondere der Abschnitt: […] Alles, was wir tun können, ist den Druck rausnehmen. Immer. Das hilft sofort. Nicht anders sein zu wollen. Das Leben nicht anders zu wollen. Uns umarmen und aushalten und annehmen […], hat mich aufgemuntert und Kraft gegeben.
Herzgruss aus der Schweiz 🙂
Sophia
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Autor
Liebe Sophia
ich danke dir für deine Worte. Bis bald und liebe Grüße
Sija
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