First Yoga Contact – Wie aus einer katastrophalen ersten Begegnung eine anhaltende Liebesbeziehung wurde
Gastbeitrag von Sabrina Reuter
Passend zum Thema Neugier berichtet Sabrina heute wunderbar offen über ihren ersten Kontaktversuche mit Yoga.
Die Suche nach der Entspannung
Das erste Mal Yoga. Ich kann mich noch gut erinnern. Ich suchte nach einer Entspannungstechnik, probierte einiges aus, sträubte mich mit dem Hirn oder manchmal auch mit dem ganzen Körper gegen das meiste und entschied mich dann aus Gründen, die ich heute gar nicht mehr benennen kann, doch mal Yoga zu testen.
Aber wo? In meiner unmittelbaren Umgebung gab es ein relativ großes Angebot an Yoga-Studios. Aber das Bild vor meinem geistigen Auge von durchtrainierten, körperlich flexiblen, modelähnlichen Hipster-Yoginis, die zu Räucherstäbchen und sanften Elektro-Lounge-Klängen von der Kobra in den Kopfstand fließen, schreckte mich ab. Ich wollte meinen Couch-Potato-Körper doch eher unter gleich Gesinnten und vor allem gleich Geformten durch die Vinyasas jagen.
Erste Annäherungsversuche im Fitnessstudio… mit Folgen
Also wählte ich zum Einstieg einen Yoga-Kurs in meinem Fitnessstudio. Hier war das Publikum in der Regel gut gemischt. Ich musste mich nicht erst anmelden, vorstellen und als Neuzugang beäugen lassen. Hier fiel ich gar nicht groß auf und traute mich, die Sonne zu grüßen. Ich wusste nicht genau, wer und was mich dort erwartete, zumindest war der Kurs erst mal umsonst. (Für irgendetwas außer Sauna und Sonnenterasse sollte die Mitgliedschaft doch gut sein.) Ich erinnere mich, wie ich in einem verspiegelten Kursraum mit großer Uhr an der Wand die Hälfte der Zeit nur gelacht habe über Verrenkungen, die ich nicht nachturnen konnte. Und abgeschreckt war von meinem eigenen ungelenken Spiegelbild. („Mmm, ich sollte doch wieder abnehmen. Und diese olle Hose. Mein Gott, morgen kaufst du dir erst mal vernünftige Sport-Klamotten.“) Die Kursleiterin war mir auf Anhieb sympathisch und entschuldigte sich schon mal vorsorglich vorab, sie müsse bei diesen Fitnessstudio-Kursen eben für alle etwas anbieten, Anfänger- sowie Fortgeschrittenen-Asanas. Dafür hatte ich prompt Verständnis, schließlich ließ mein Nebenmann keine Gelegenheit aus, um zu zeigen was er drauf hatte. Zum Abschluss gab’s dann Hardcore-Shavasana für die ganz Entspannten, denn im Nebenraum tönte der Spinning-Kurs mit entsprechender Anpeitsch-Musik und Drill Instructor-Ansagen. Aber wer Meditations-Profi ist, kann doch alles ausblenden, oder? OK, das ist es also auch nicht, dachte ich mir noch beim Rausgehen.
Später, zurück auf der Wohnzimmercouch, merkte ich, die Stunde hatte irgendetwas mit mir gemacht. Aber was? Ich war verwirrt. Ein völlig neues Gefühl war da plötzlich. Aber noch nicht wirklich greifbar. Aber ein gutes Gefühl war es, soviel spürte ich. Vielleicht gab ich diesem Yoga doch noch eine Chance?
Liebe auf den zweiten Blick
Wie das Leben dann manchmal so spielt, machte eine liebe Freundin von mir zu dieser Zeit eine Yogalehrer-Ausbildung und ich hatte das Glück zu ihren ersten Schülern gehören zu dürfen. Wenn ich heute überlege wofür ich dankbar bin, gehört diese Wendung in meinem Leben unweigerlich dazu. Ihr Unterricht war eine wahre Offenbarung für mich. Langsam dämmerte es und ich verstand, warum die alle so begeistert waren von diesem Yoga. Klar gibt es bei ihr auch Räucherstäbchen, aber mittlerweile mag ich die sogar.
All you need is Loslassen
Bei ihr lernte ich dann, wie schön ein ganzheitlicher Ansatz ist. Atmen, Asanas, Meditation, Chanten – es wurde plötzlich alles eins und untrennbar. Positionen zu halten und zu spüren, anstatt hip und möglichst schnell hindurchzufließen. Zu lächeln und Freude zu empfinden. Den süßen Schmerz zu genießen. Meinem Körper zu suggerieren, ich liebe und koste aus, was ich da gerade mache. Ich lernte wie wichtig die richtige Ausrichtung des Körpers ist, die Hände beim Vierfüßlerstand und herabschauenden Hund, die Hüfte, die Sitzbeinhöcker. Über mein Yoga-Outfit und wie ich beim Yoga aussah, machte ich mir inzwischen auch keinen Kopf mehr. Diese Gedanken hatte ich alle losgelassen. Dafür machte sich das Gefühl breit, ich tat genau das Richtige für mich in diesem Moment, zur richtigen Zeit, am richtigen Ort.
Goodbye Leistungsdruck und Körperkult
Bei meiner Lieblingslehrerin lernte ich, dass es gar keinen Leistungsdruck gibt, solange ich mir keinen aufbaue. Wichtig ist, dass ich mir die Zeit nehme für mich für diese Yoga-Stunde, um mir Gutes zu tun, dass ich an meine Grenze gehe, an der ich den süßen Schmerz genieße. Und wenn die Grenze bei mir nicht der dicke Zeh, sondern nur das Schienbein ist, dann ist das völlig OK. Wir alle sind unterschiedlich gebaut und flexibel. Nicht jeder ist eine Prima Ballerina. Und das ist in Ordnung so. Wenn die Couch Potato anklopft und keinen Bock auf den zigsten herabschauenden Hund hat, ist das auch in Ordnung. Dann entspanne ich in der Stellung des Kindes und mache mir keine Selbstvorwürfe. Ich bin einfach mal ganz nett zu mir und lasse den sportlichen Ehrgeiz draußen. Denn der Drang immer mehr von diesem Yoga zu wollen, kommt von ganz allein.
Sweet pain, sweet gain, sweet love
Wer einmal das Herz und vor allem die Hüfte geöffnet hat, der bekommt nicht genug von dem süßen Schmerz und dem einzigartigen Glücksgefühl, das nur die Yogapraxis bringt. (Und für dieses Glücksgefühl muss man nicht erst warten bis man in der Lage ist, sich das Bein um den Kopf schlingen zu können.) Plötzlich kann ich mich viel weiter dehnen, der süße Schmerz stellt sich erst ein paar Millimeter weiter ein als noch vor Wochen und ich traue mir auf einmal mehr zu. Zum Beispiel den Halbmond, so wie am letzten Sonntag. Und vielleicht irgendwann doch auch mal den Kopfstand. Wer weiß.
Sabrina
PS: Dies ist der nächste Post von Sabrina, die Glücksplanet mit frischen Gastbeiträgen bereichert. Sabrina hat schon geträumt vom Geschichtenschreiben, seit sie einen Stift halten konnte. Nach dem Germanistik- und Anglistikstudium und einem Jahr in Australien hat sie ihren Stift erst mal aus der Hand gelegt und sich mit anderen Dingen wie Zahlen, Projektplänen und Präsentationen ausgetobt. Inzwischen hat sie ihren Stift wieder fest im Griff und schreibt über alles was sie umtreibt, mutig, frei und glücklich macht.