Yogalehrerfortbildung – wie du das Neue gut integrierst
Egal, ob du schon Yogalehrer bist oder dir noch überlegst, dich endlich auf den Weg in eine Ausbildung zu machen: Irgendwann kommt die Frage, was für ein Yogi und damit auch, was für ein Lehrer du bist oder sein wirst. Und die Frage ist ziemlich entscheidend, denn natürlich wollen wir uns gerade im Yoga nicht verbiegen, sondern ehrlich und mutig zeigen, wer wir sind. Die Realität jedoch sieht oft anders aus. Fast unmerklich verstellen wir uns, bemühen uns und strengen uns an – und das alles nur, um zu gefallen. Bis wir irgendwann merken, dass wir nicht mehr bei uns sind. Der Flow ist weg und alles fühlt sich merkwürdig an und schief. Ich musste ganz schön darüber nachdenken in der letzten Woche. Jede längere Ausbildung lässt mich kurz Angst bekommen, alles wäre falsch. Gleichzeitig bekomme ich Angst, ich könnte mich zu viel verändern und schwupps- bin ich gefangen in einer kleinen Zwickmühle, denn eigentlich mag ich mich so, wie ich bin. Ich hab daher, zum Start meiner 300 Stunden+ Yogalehrerfortbildung, nachgedacht. Wie ich das, was mich ausmacht, behalten kann und dabei trotzdem von anderen viel lerne. Über mich als Lehrerin natürlich auch – und über das Lernen im allgemeinen. Hui, war also ordentlich was los, letzte Woche.
Der Wunsch nach Wahrhaftigkeit
Vielleicht kurz zum Start noch ein paar kurze Sätze zur Wahrhaftigkeit: Satya. Dieser Zustand, in dem wir wir selbst sind und uns frei zeigen. Diese Momente, in denen wir aus unserem Herzen handeln und sich alles, zumindest innerlich, absolut stimmig anfühlt. Jeder, den ich kenne, liebt das. Wir lieben die Klarheit und das Gefühl des Ankommens. Und doch ist es schwer diese Wahrhaftigkeit dauerhaft zu behalten. Besonders, wenn wir lernen oder anderweitig verunsichert sind – und das ist eigentlich ganz normal.
Die Unsicherheit der Lernenden
Egal, wo wir lernen: In neuen Situationen, durch ein Feedback oder indem wir uns in eine Ausbildung wagen – Momente des Lernens sind Momente der Unsicherheit. Bandura erklärte das mit den vier Stufen des Lernens mal so: Es startet immer in der beruhigenden Phase der unbewussten Inkompetenz. Wir fühlen uns gut und ahnen nicht, was wir alles nicht wissen. Bis es losgeht wie bei mir in der letzten Woche. Plötzlich sehen wir, was es alles noch zu lernen gibt – jede Menge Yoga-Anatomie zum Beispiel – und wir kommen in Phase 2: Die bewusste Inkompetenz. Hier schreit unser Ego empört auf. Keiner mag fühlen, was er alles nicht weiß. Ich hab mich richtig klein gefühlt in diesem Moment, ungenügend und unsicher. Ich dachte, dass alle anderen viel besser/ versierter/ professioneller/ wissender wären und am liebsten hätte ich mich in meinem Bett Zuhause verkrochen.
Den Wunsch nach Unfehlbarkeit überwinden
Wenn wir es jedoch schaffen unser kleingestutztes Ego zu beruhigen und uns klarmachen, dass hier und genau jetzt die Entwicklung ruft, dann passiert etwas Wunderbares: Wir entdecken, was es alles zu lernen gibt und begreifen die Chance darin. Wir erkunden neue Gebiete, verstehen plötzlich mehr und atmen tief durch. So viel Neues ist da und alles ist so spannend! Auch das hatte ich übrigens immer wieder. Mensch, hab ich tolle Sachen gelernt ihr Lieben – und das war ja erst die erste Woche! Die Phase der bewussten Kompetenz beginnt, wenn wir anfangen neues Wissen aufzunehmen und in unseren Erfahrungsschatz zu integrieren. Hier fühlen sich die neuen Erkenntnisse oft noch ungewohnt an, fast wie Fremdkörper scheinen sie. Allerdings einmal durchgehalten und weiterprobiert, kommt nach und nach eine Routine auf und eh wir uns versehen sind wir in Phase vier und denken gar nicht mehr darüber nach, was wir Neues gelernt haben. Wir haben uns an das Wissen gewöhnt und eine neue unbewusste Kompetenz erarbeitet. Hach das ist so toll und darauf freu ich mich natürlich sehr!
Wie du deine Einzigartigkeit erkennst
Das ziel ist es also, irgendwann all die neuen Anregungen gut zu verarbeiten und so zu integrieren, dass sie sich geschmeidig in die eigene Welt und den eignen Stil einfügen. Das kann eine ganze Zeit dauern und ich hab überlegt, wie ich mir in Zeiten der vielen Eindrücke und Lernerlebnisse meine Einzigartigkeit und Wahrhaftigkeit erhalte. Denn natürlich ist es schwer, in den Momenten der Unsicherheit unser eigenes Licht klar zu erkennen. Die Augenblicke, in denen wir uns klein fühlen, sind am wenigsten geeignet über die eigene Einzigartigkeit zu sinnieren. Wenn du allerdings nicht klar hast, was dich wirklich ausmacht, dann macht es Sinn das vorher einmal zu tun. Vorher können wir schauen, was uns ausmacht und vor allem, wo wir hinwollen. Unser Verhalten verfolgt immer einen Zweck- und gerade als Lehrer macht es sehr (sehr sehr) viel Sinn, diesen klar zu haben.
Warum unterrichtest du?
Ist die Frage, die du dir als Yogalehrer stellen kannst. Was ist das, was du weitergeben willst? Was ist Yoga für dich? Was das Ziel deiner Arbeit? Wann sagst du: Das wollte ich erreichen und atmest glücklich durch? Unsere Ziele sind in ihren Feinheiten oft so unterschiedlich. Die eine Lehrerin will vielleicht Sicherheit vermitteln und ein gutes Gefühl im eigenen Körper. Einen anderen wiederum macht es glücklich, wenn ihre Schüler endlich tief in die Philosophie eintauchen und so einen Horizont entdecken. Menschen wie ich unterrichten, um anderen zu helfen entspannter und glücklicher, gesünder und geschmeidiger zu werden – innen wie außen. Es gibt so viele Gründe auf die Matte zu kommen und genauso viele, um sich vor eine Gruppe zu stellen. Die Einzigartigkeit beginnt mit dem Moment, in dem du dein Ziel benennst.
Einen einzigartigen Stil kultivieren
Neben der Absicht hinter deinem Unterricht gibt es dazu noch das, was du so tust. Jeder von uns hat ein paar kleine Marotten und Ideen. Genau die machen uns einzigartig. Yoga ist keine uniforme Kultur, sondern ein abwechslungsreicher Spielplatz, an dem wir unsere Persönlichkeit zeigen dürfen und sollten (ich sag ja: Satya). Also: Bist du eher ernsthaft und ruhig? Klar und sachlich? Fröhlich und agil? Nicht jeden Tag- na klar, aber eher als das andere? Der Stil ist eine feine Sache und zu ihm zu stehen befreit ungemein. Ich habe am Anfang meiner Laufbahn versucht ernsthafter zu sein. Yoga ist ein wichtiges Thema für mich und ich war voll Demut. Bis ich gemerkt habe, dass diese erzwungene Getragenheit nicht zu mir passt. Ich mache also weiter einen Scherz, wenn mir danach ist. Das passt nicht für jeden, gehört aber zu mir und es fühlt sich viel wahrhaftiger an, als vieles andere.
Die Einzigartigkeit behalten – auch in einer Yogalehrerfortbildung
Mitten im Lernprozess, ist es oft nicht so einfach weiter auf die eigenen Stärken zu vertrauen und dem Stil treu zu bleiben. Die Unsicherheit steigt und unsere Gedanken sind eher bei unseren Defiziten als bei unserem Stil. Aber keine Sorge: Selbst, wenn wir uns hier versuchen ein wenig anzupassen – wir halten nur begrenzt durch. Unser wahres Selbst sucht sich immer wieder den Weg an die Oberfläche unserer Fassade – und das ist so goldrichtig. Für mich war das so spannend zu beobachten in der letzten Woche: Montags, am ersten Tag, war ich noch voller Selbstbewusstsein und innerer Klarheit und ich war neugierig auf all die anderen einzigartigen Lehrer. Als dann jedoch nach und nach die Unsicherheit an mir hochkrabbelte, hätte ich mich am liebsten versteckt. Statt mich wie sonst zu beteiligen bin ich ruhig geblieben und hab den Tag so irgendwie überstanden. Am nächsten Morgen allerdings (und obwohl ich immer noch nicht die Alte war) sind mir doch wieder ein paar flapsige Sätze rausgerutscht. Erst wollte ich mich ärgern und Gedanken über die Wirkung machen- bis ich dachte: Nein und mein Selbstbewusstsein wieder gefunden habe. So wie ich bin, bin ich richtig. Ich bin hier um zu lernen – wir alle. Es ist gut zu schauen, wo wir noch was zu tun haben, aber nur mit dem Bewusstsein, was wir schon alles Tolles mitbringen. Das übrigens macht uns entspannter und damit aufnahmefähiger – eine gute Sache also. Daher gilt besonders beim Lernen:
Jeder von uns ist wunderbar
Jeder von uns ist wertvoll, wunderbar und einzigartig- auf seine ganz eigene Art. Und egal, ob du Bilder malst, Lehrerin bist, Yogakurse leitest – deine Mitmenschen und Schüler profitieren dann am meisten von dir, wenn sie dich mit all deinen Seiten sehen dürfen. Das, was du erlebt hast und erfahren, ist das, was sich weiterzugeben lohnt. Ja, wir sollten uns entwickeln aber so, dass wir Neues integrieren. Für mich bedeutet das: Ja, ich muss echt Anatomie büffeln. Ich habe ganz schöne Lücken, hab ich gemerkt. Der Rest jedoch, die Leichtigkeit in meinen Klassen oder auch das Lachen -das darf bleiben. Wir selbst ziehen die Grenze, wie sehr wir uns von neuen Eindrücken formen lassen wollen. Ein guter Lehrer lässt uns den Spielraum. Er wartet gespannt ab, was das neue Wissen in Kombination mit dem, was wir mitbringen, entstehen lässt. Ich finde übrigens, dass das der spannendste Part ist.
Was nun kommt
Ich warte daher ab und werde schauen, wohin mich diese aufregenden 1,5 Jahre tragen werden. Was sie mit mir machen werden und was sich verändern wird. Mindestens genauso gespannt bin ich auf die Entwicklung meiner Mit-Lernenden. So viele tolle Menschen, die sich gemeinsam aufmachen und entdecken wollen. In solchen Gruppen ist immer ein besonderer Zauber. Kennt das noch jemand? Und kennt ihr auch das Gefühl von entdecken und gleichzeitig unsicher sein?
Ich freu mich von euch zu lesen und sage bis bald! Alles Liebe,
Silja
10 Kommentare
-
Oh ja, das kenne ich auch sehr gut. Gerade was Yoga angeht stelle ich mich oft in Frage, weil ich nicht so die hippe Flowlehrerin bin, sondern am Krankenhaus Reha-Yoga gegen Stress und Schmerzen gebe und an der VHS eher auch sanfte, gemütliche Kurse für Menschen ab 40+, die es eher entspannt angehen lassen wollen. Selbst gehe ich aber schon gerne in Vinyasa Stunden mit fordernden Sequenzen und frage mich dann, ob das wahrhaftig ist? Aber es würde mir ja auch nichts bringen, mich in Yin Stunden zu zwingen oder etwas zu unterrichten, was sich an dieser Stelle einfach nicht stimmig anfühlt. ❤
-
Autor
Hallo liebe Nadine,
ich glaube, was du da erlebst kennen so viele! Es gibt einfach Dinge, da ist man gerne Schüler und ich glaub das darf auch so sein. Wahrhaftigkeit ist für mich, seinem Herzen zu folgen und das machst du auf so vielen Wegen.
Lieben Dank und fühl dich gedrückt!
Silja
-
-
Danke für diese Zeilen <3 Vielleicht sollten wir gerade in diesen Lernphasen immer wieder einmal inne halten und uns das Wissen vor Augen halten, was wir uns bereits angeeignet haben. Dies gibt uns die Sicherheit, welche wir brauchen um im grossen See der bewussten Inkompetenz Fuss zu fassen. Nach den Zeiten der grossen Unsicherheit in uns folgt zum Glück immer wieder die Erkenntnis, dass wir doch ganz wundervoll sind, genau so wie wir sind… und da wären wir wieder bei Satya 🙂 Ich bin gespannt auf deinen weiteren Lernprozess und lerne mit dir <3 Keep going!
-
Autor
Liebe Tanja,
ja total! Das eigene Wissen anschauen ist eine gute Idee – und zum Glück geht die Phase ja vorbei.
Bin gespannt, wo uns das alles noch hinführt.
Liebe Grüße und bis bald,
Silja
-
-
Sehr wahr! Sehr wahrhaftig! Sehr ehrlich und berührend! Sehr hilfreich in allen Lebenslagen! Satya!!
Namaste!-
Autor
Liebe Claudia,
danke dir – dicker Kuss
Silja
-
-
…dieser Post kommt wie immer goldrichtig…in 2 Wochen geht meine Yoga Ausbildung los…ich freue mich so sehr und habe aber genauso viel Angst! Werde ich meinen Stil finden, meinen Weg zu unterrichten, mich trauen vor Gruppen selbstbewusst zu sprechen, mein wahres Ich zu zeigen, das sich manchmal so gut versteckt…ach so viele Fragen und dennoch so viel Freude. Ich will wachsen an und mit mir, lernen, fühlen und mein volles Herz teilen….
Danke für deinen Beitrag!-
Autor
Wohoo! Das ist ja toll – oh du wirst eine wunderbare Zeit haben! Bin sehr gespannt! Und – wenn es so wird wie bei mir- ja: Du wirst all das schaffen und mehrere Male vorher denken: Das klappt nie. Und genau das ist der Prozess.
Ich drück dich und wünsch dir ganz viel SpaßSilja
-
-
Liebe Silja,
dieser Beitrag kommt für mich genau zum richtigen Moment: Ich habe vor knapp 2 Monaten mit meiner 200h Ausbildung angefangen… Superspannend, und aufregend und herausfordernd – vor allem, weil man nunmal nicht nur mit viel „Stoff“, sondern vor allem mit sich selbst konfrontiert wird – und als ich deine Zeilen über deine punktuelle Flapsigkeit las, musste ich schmunzeln, weil ich mich soooo darin wieder gefunden habe… Ich versucht auch oft, ganz ernsthaft zu sein (und an vielen Stellen macht das innerhalb einer Gruppe ja auch total Sinn), aber wenn der Clown in mir dann unruhig wird, dann rutscht mir doch mal hier und da ein Witz heraus und wenn ich dann merke, dass andere das unangebracht finden, dann fühle ich mich schlecht und das Äffchen plappert „Nie kannst du dich zusammen reißen, jetzt machste hier wieder den Klasper…“ Wieso akzeptiere ich diesen Teil in mir nicht einfach? So bin ich und das macht mich aus – und trotzdem: Im Yoga-Kontext habe ich oft das Gefühl, dass diese Art von Spass unerwünscht ist – es lockerer zu nehmen heißt ja längst nicht, dass ich nicht trotzdem sehr demütig bin. Deine Worte ermutigen mich, weiter zu machen, ich selbst zu bleiben in dem Wissen trotzdem (oder grade deshalb) eine gute Lehrerin sein zu können! Ich danke dir von Herzen, Britta-
Autor
Liebe Britta,
so schön, dass du auch eine fröhliche Yogini bist – lass dir das nicht weg-erziehen. Ich glaube, vielen tut die Leichtigkeit gut und wenn es von Herzen kommt, dann ist es immer richtig.
Ich drück dich und sage bis bald,
Silja
-